E.1 Nutztierhaltung fördert Resistenzen

In industrialisierten Ländern ist die Massentierhaltung das vorwiegende Haltungssytem. Steigende Nachfrage, niedrige Konsumentenpreise und Konkurrenzdruck sorgen für eine fortschreitende Technisierung und Intensivierung der Tierproduktion. Schon bei der Zucht wird auf Rassen gesetzt, die in kürzester Zeit sehr viel Fleischmasse zulegen. Automatisierte Fütterungstechniken bei der Mast sorgen für einen effizienten Futtereinsatz und immer größere Belegungsdichten in den Stallungen ermöglichen eine wachsende Produktionsleistung. All das macht Tiere anfälliger für Krankheiten. Ungünstige Haltungsbedingungen, Hitze und Stress fördern die Ausbreitung von Infektionen und machen den massiven Einsatz von Antibiotika erforderlich. 2014 wurden in Deutschland rund 1.450 Tonnen Antibiotika in der Veterinärmedizin verabreicht. Damit war die Abgabemenge mehr als doppelt so hoch wie in der Humanmedizin (etwa 700 Tonnen). Die hohen Abgabemengen stehen in direktem Bezug zur Resistenzrate, in der Grafik dargestellt am Beispiel von resistenten E. coli Erregern.

 

Die Grafik veranschaulicht die Korrelation zwischen Therapiehäufigkeit und Zunahme der Resistenzrate.

 

Antibiotika-Einsatz auch in Aquakulturen


Wenig öffentliche Aufmerksamkeit findet der Einsatz von Antibiotika in Aquakulturen. Doch gerade hier ist der Antibiotika-Eintrag in die Umwelt beachtlich. Etwa die Hälfte des weltweit konsumierten Speisefisches wird in Süßwasser-und Meereszuchten erzeugt (ca. 50 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte jährlich). Die Haltung auf engstem Raum macht die Tiere wesentlich krankheitsanfälliger im Vergleich zu Wildfischen und Krankheiten breiten sich schneller aus. In Aquakulturen werden daher vorbeugend Antibiotika verfüttert.
Der Großteil der weltweiten Aquakulturen findet in so genannten offenen Systemen statt, das heißt, die Anlagen stehen mit der natürlichen Umgebung in direkter Verbindung. Absinkendes Futter und Fäkalien verschmutzen den Meeresboden unter den Käfigen. Sowohl der Boden als auch das Wasser sind im Bereich von Aquakulturen oft extrem hoch mit Antibiotika belastet.

 

Weitergehende Informationen finden Sie hier
 

In der Fischindustrie werden die gleichen antibiotischen Wirkstoffe verwendet wie in der Humanmedizin. Die Grafik der FAO zeigt, dass auch sogenannte Reserveantibiotika in großen Mengen verfüttert werden. 

In Aquakulturen werden überwiegend Antibiotika mit der Klassifizierung Highly und Critically important eingesetzt.

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Der globale Süden holt auf


Landwirtschaftliche Industrialisierung sorgt auch im globalen Süden für eine stetige Zunahme des Antibiotika-Verbrauchs in der Veterinärmedizin. Ein globalisierter Fleischhandel, der beispielsweise Geflügelexporte aus der Europäischen Union nach Westafrika zum lukrativen Geschäft macht, verändert die regionalen Märkte und drängt kleinbäuerliche Strukturen zurück. Zusätzlich steigt besonders in Ländern mit einer wachsenden Mittelschicht die Nachfrage nach Fleisch. In China beispielsweise werden derzeit noch rund 50% des Schweinefleisches in kleinbäuerlichen Strukturen produziert. Das dürfte sich bald ändern. Denn nirgendwo sonst steigen Nachfrage und Produktionsmengen so gewaltig wie im asiatischen Raum: 80% des bis 2022 prognostizierten Zuwachses im Fleischsektor entfallen auf diese Region. In Indien hat sich die Produktion von Büffelfleisch innerhalb von drei Jahren (2010-2013) nahezu verdoppelt. Das Land ist damit zum führenden Exporteur für Rindfleisch avanciert, gefolgt von Brasilien. 25% des Rindfleisches auf dem Weltmarkt stammen aus Indien. Kein anderes tierisches Lebensmittel wird jedoch so international gehandelt und exportiert wie Geflügelfleisch. Das liegt zum einen daran, dass der Konsum in keiner Weltkultur tabuisiert ist. Zusätzlich erreichen Hühner die Mastreife bei relativ geringem Futtereinsatz  – die Produktion von Hühnerfleisch ist also besonders günstig. Auch hier wird ein gewaltiger Zuwachs prognostiziert: Die Geflügelproduktion wird in den kommenden 10 Jahren (2010 bis 2020) in China um 37% und in Brasilien um 28% steigen.


Fallbeispiel: Hoher Antibiotika-Verbrauch in Nepal


Studien aus Nepal zeigen, dass Rinder und kleine Wiederkäuer häufig unter Mastitis leiden und oft mit E. coli - Bakterien besiedelt sind. Bei Hühnern ist häufig außerdem die Besiedlung von Salmonellen festgestellt worden. In Nepal stieg der Verkauf von Antibiotika für die Tierhaltung von 2008-2012 um über 50%. Besonders besorgniserregend ist, dass das Gros der verfütterten Antibiotika (71%) nicht von TierärztInnen verordnet war, sondern direkt an die Bauern verkauft wurde.

 

Fallbeispiel: Steigende Resistenzraten in Uganda


Auch in Uganda ist der Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung ausgesprochen hoch und geht mit steigenden Resistenzraten einher. So wurden beispielsweise 85 Proben von Schweinen und der in weiten Teilen Afrikas verbreiteten grünen Meerkatze ausgewertet. Die MRSA-Rate betrug bei den untersuchten Tieren 64%. Auch die Proben von Salmonellen-Erregern wiesen eine hohe Resistenzrate gegenüber verschiedenen Antibiotika auf.

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Antibiotika zur Wachstumsförderung


Die Antibiotikagabe zur Wachstums- und Leistungsförderung ist vielerorts Usus. Die Tiere wachsen schneller und sind früher schlachtreif. Das bietet Vorteile im Wettbewerb, denn der zusätzliche Gewinn übersteigt die Zusatzkosten für die Medikamente. Die Antibiotika werden in der Regel über Futtermittel oder über das Trinkwasser verabreicht – und zwar in wesentlich niedrigerer Dosierung als es bei einer therapeutischen Anwendung üblich wäre. Neben der ohnehin resistenzfördernden Dauergabe von Antibiotika ist insbesondere diese sogenannte subtherapeutische Dosierung problematisch. Denn vorhandene bakterielle Erreger können mit der niedrigen Wirkstoffdosis nicht effektiv behandelt werden. Die Keime überleben und bilden vermehrt Resistenzen aus. Somit trägt die Mast mit Antibiotika wesentlich zur Resistenzproblematik bei.
Antibiotika als Masthilfe sind in der EU seit 2006 verboten, in den USA aber nicht. Viele Länder verfügen nicht einmal über entsprechende Regelungen. Außerdem gibt es eine große Grauzone: Die verbotenen Leistungsförderer werden auch dort eingesetzt, wo strikte Kontrollen fehlen.

 


Mangelnde Stallhygiene kompensieren


Aus Sicht der ErzeugerInnen kann der Einsatz von Antibiotika noch unter einem weiteren Aspekt rentabel sein. Wer Antibiotika einsetzt, kann damit ungenügende hygienische Bedingungen in Stallungen kompensieren. So kann es preiswerter sein, in Antibiotika zu investieren als in artgerechte Haltung oder in hygienische Maßnahmen, die dem Tierwohl dienen.

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Mehr Antibiotika, da robuste Rassen fehlen


Jahrzehntelang setzte die Tierzucht auf Hochleistungsrassen, um die Produktion tierischer Lebensmittel zu intensivieren. Die Artenvielfalt bei Nutztierrassen hat dadurch dramatisch abgenommen und etliche Rassen sind vom Aussterben bedroht. Sie sind unrentabel für die industrielle Tierproduktion, dabei sind viele alte Tierrassen robuster, genügsamer oder weniger anfällig für Krankheiten. Die Konzentration auf einen sehr eingeschränkten Genpool ist noch in anderer Hinsicht problematisch: Die dominierenden, für Industrieländer gezüchteten modernen Hochleistungsrassen sind für klimatische Bedingungen in Südländern nicht unbedingt geeignet. So werden die Tiere häufiger krank und sind insgesamt anfälliger. Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit führen zu einer vermehrten Übertragung von Krankheitserregern. Artenvielfalt und die Erhaltung landestypischer und angepasster Nutztierrassen wären eine wichtige Voraussetzung für bessere Tiergesundheit und einen geringeren Einsatz von Antibiotika.

 

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