C.2 Die weltweite Situation im Überblick

Für die Entwicklungszusammenarbeit sind vor allem jene Länder von Bedeutung, aus denen keine oder nur wenig aussagekräftige Daten zu Antibiotika-Resistenzen vorliegen. Die folgenden Texte geben einen Überblick zur Entwicklung von Antibiotika-Resistenzen in den sechs WHO-Regionen. Sie tragen Fakten und Informationen aus verschiedenen Quellen zusammen. Grundlegend war  dabei auch ein Bericht der WHO von 2015 zu antimikrobiellen Resistenzen. Dieser Bericht zeigt auf, inwieweit Handlungsempfehlungen in verschiedenen WHO-Regionen umgesetzt wurden und wo Fortschritte erkennbar sind.


Länderzuordnung: Weltkarte der sechs WHO-Regionen

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Afrika:

Die von der WHO gesammelten Daten weisen auf eine Zunahme von Resistenzen hin.
Das umfassendste Datenmaterial findet sich zum MRSA-Erreger. Zur Ausbreitung dieses Keims sind daher auch länderübergreifende Aussagen möglich. So ist der mittlere Wert von resistenten Staphylokokken im westlichen Afrika mit 14,5% etwas niedriger als in anderen afrikanischen Regionen. Dort liegt der Wert zwischen 21,3 und 25,4%. Ausgewählte Daten liegen ebenso aus dem östlichen Afrika vor. So registrierte Uganda für den Erhebungszeitraum 2011/12 eine Infektionsrate durch MRSA-Erreger von 38%, Äthiopien von 49%. Die höchste dokumentierte MRSA-Infektionsrate auf dem afrikanischen Kontinent findet sich mit 64% (Erhebungszeitraum 2013) in der Demokratischen Republik Kongo.
Regional unterschiedlich ist die MRSA-Kolonisationsrate. Sie liegt in Marokko bei 3%, in Äthiopien bei 44% und in der Republik Südafrika beträgt sie 77%.

Der WHO-Report 2015 zu antimikrobiellen Resistenzen zeigte erneut die dürftige Datenlage: Von den 47 Ländern der afrikanischen WHO-Region stellten lediglich acht Staaten Datenmaterial zur Verfügung. Übereinstimmend  meldeten sie  eine Zunahme von Antibiotika-Resistenzen. Insbesondere Tuberkulose stellt für die Gesundheitssysteme dieser Länder eine große Herausforderung dar. Nur Äthiopien und Südafrika verfügen als einzige afrikanische Länder  über einen nationalen Aktionsplan zur Reduzierung von Antibiotika-Resistenzen.

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Länderbeispiel Uganda:

Uganda ist das ärmste unter den ostafrikanischen Ländern. Fehl- und Unterernährung und äußerst  beengte Lebensbedingungen in den Armenvierteln führen zu hohen Infektionsraten bei Lungen- und Bronchialkrankheiten.  Der fehlende Zugang zu sauberem Wasser macht die Bevölkerung anfällig für Durchfallerkrankungen. Die vergleichsweise geringe Anzahl von Krankenhäusern verschärft die Situation. In Folge müssen sich mehrere Menschen ein Bett teilen und dies bei oft mangelhaften hygienischen Bedingungen. Unter solchen Konditionen ist die massive Verbreitung von Krankheitserregern vorprogrammiert.


Eine routinemäßige und flächendeckende Erfassung von Antibiotika-Resistenzen findet in Uganda nicht statt. Die wenigen bisher durchgeführten punktuellen Untersuchungen geben aber deutliche Hinweise darauf, dass Resistenzen in der Bevölkerung weit verbreitet sind. In den untersuchten Regionen waren bestimmte Erreger zu 100% gegen das Antibiotikum Penicillin resistent. Auch gegen andere gängige Antibiotika lagen massive Resistenzen vor. Der Erreger Staphylococcus aureus war mit den meisten Antibiotika nicht mehr behandelbar (Resistenzrate über 90%). Nur noch fünf Antibiotika zeigten gegen diesen Keim Therapieerfolge (Resistenzrate unter 50%).

 

Resistente Keime treffen auf ein schwaches Gesundheitssystem

Das Problem resistenter Bakterien trifft in Uganda auf ein schwaches und unterfinanziertes Gesundheitssystem. Gerade einmal 10 US$ investiert der Staat pro Jahr und PatientIn in die Gesundheit. Teure Therapien, die bei resistenten Krankheitsformen zum Einsatz kommen könnten, sind mit solch knappem Etat kaum bezahlbar. Sogenannte Reserveantibiotika sind erheblich teurer als ältere Antibiotika. Die wichtigen Therapien sind daher in Uganda kaum verfügbar bzw. finden im öffentlichen Gesundheitssektor keine Anwendung.
Auch um die ärztliche Ausbildung ist es nicht zum Besten bestellt. Leitlinien zum Gebrauch von Antibiotika werden von ugandischen ÄrztInnen häufig nicht angewendet. Viele Verschreibungen basieren auf dem Prinzip „trial and error“ (Versuch und Irrtum) und auf persönlicher Erfahrung. Häufig werden - ohne therapeutischen Nutzen - mehrere antibiotische Wirkstoffe gleichzeitig verschrieben.
Die exakte Bestimmung des Erregers und eine Sensibilitätsprüfung (welches Antibiotikum wirkt in diesem Fall) ist häufig aufgrund mangelnder labortechnischer Ausstattung nicht möglich. Insbesondere staatliche Gesundheitseinrichtungen weisen hier große Defizite auf.

 

Mangelnde Kontrolle des Arzneimittelmarktes

Die Mehrheit der PatientInnen verzichtet indes auf ärztlichen Rat und kauft Arzneimittel direkt oder sucht HeilerInnen und andere informelle Dienste auf. Schließlich ist es in Uganda – wie in vielen anderen Ländern - durchaus möglich, verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Antibiotika ohne Rezept einzukaufen. Zwar müssen ApothekerInnen bei solch illegalen Praktiken mit dem Verlust ihrer Lizenz oder sogar mit Gefängnisstrafe rechnen. Doch die Kontrolle der Arzneimittelbehörde NDA ist wenig effektiv.

Weitergehende Informationen liefert der Bericht der National Academy of Sciences.

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Süd-Ost-Asien:

Der Aufbau eines systematischen Surveillance-Systems in der Region schreitet voran. Alle 11 Länder stellten für den WHO-Bericht 2015 Daten zu Verfügung. Dokumentiert sind vor allem Infektionen mit MRSA-Erregern. Indien registrierte 2011 eine MRSA-Infektionsrate von 45%. Nach einer Studie, die in Auszügen in der New York Times veröffentlicht wurde, sollen in Indien jährlich mehr als 50.000 Säuglinge durch Bakterien sterben, da entsprechende Antibiotika nicht mehr wirken. Außerdem liege der Anteil der Neugeborenen mit resistenten Keimen im Blut in einigen Kliniken bei nahezu 100 Prozent. Die Gründe für diesen „Tsunami der Antibiotika-Resistenzen“, wie die Situation in der NYT  beschrieben wird, sind vielfältig. Genannt werden der massenhafte Gebrauch von Antibiotika, der freie Verkauf und die Selbstmedikation sowie die zum Teil schlechten hygienischen Bedingungen in den Wohnquartieren.

Die höchsten MRSA-Infektionsraten in Süd-Ost-Asien finden sich mit 73% in Korea. Ursache dafür könnten die schlechte Kontrolle des Arzneimittelmarktes und der Fehlgebrauch von Antibiotika sein. Der rezeptfreie Verkauf von Antibiotika liegt in der Region bei 64%.

 

Anteil publizierter klinischer MRSA Infektionsraten in ausgewählten asiatischen Ländern im Erhebungszeitraum 2011

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Westpazifische Region:

Während Länder mit hohem Einkommen wie Australien über gut funktionierende Surveillance-Systeme verfügen, ist es vielen kleineren Inselstaaten in der westpazifischen Region bisher nicht gelungen, effektive Kontrollsysteme zu etablieren. Grund dafür sind fehlende Ressourcen. Es mangelt an der erforderlichen Gesundheitsinfrastruktur, an qualifiziertem Personal und nicht zuletzt an finanziellen Mitteln, um Resistenzbildung flächendeckend zu überwachen.

 

Vorderasien/Region östliches Mittelmeer:

Die vorhandenen Daten weisen auf eine Zunahme von Resistenzen in den zurückliegenden Jahren hin. Daten zu Verbrauch und Einsatz von Antibiotika sind bedingt vorhanden. 13 der 21 WHO-Mitgliedsländer beteiligten sich an derm aktuellen WHO-Bericht Studie aus 2015. Demnach erheben acht Länder Daten zu resistenten Antibiotika-Erregern und neun registrieren Tuberkulose-Resistenzen. Der Bericht weist auf den Umstand hin, dass in der Region viele Flüchtlinge leben (50% aller Flüchtlinge weltweit). Dieser Umstand dieser anhaltenden Migrationsbewegungen erschwert die Kontrolle über resistenter Erreger. Die größte Herausforderung für die Gesundheitssysteme in der Region ist die hohe Zahl an Tuberkulose-Erkrankungen.

 

Amerika:

Die Datenlage in dieser WHO-Region ist gut. Am lateinamerikanischen Surveillance-Netzwerk ReLAVRA beteiligen sich 19 Länder, inklusive der USA und Kanada. Das Netzwerk steht unter der Leitung des WHO Regional Office for the Americas / Pan American Health Organization (AMRO/PAHO). Dadurch sind die landesweiten Erfassungssysteme standardisiert und eine gute Vergleichbarkeit der Daten ist gewährleistet. Vor allem zwischen den lateinamerikanischen Ländern existieren signifikante Unterschiede, was die Verbreitung von Resistenzen betrifft. Untenstehende Grafik zeigt das am Beispiel des Erregers Staphylococcus aureus. Während die Resistenzquote in Panama bei 35% liegt, ist sie in Peru mehr als doppelt so hoch.

 

Resistenzrate von Staphylococcus aureus gegenüber dem Wirkstoff Oxacellin

 

25 Staaten auf dem amerikanischen Kontinent verfügen neben einem funktionierenden Surveillance-System auch über nationale Referenzlaboratorien, um Erreger auf Antiobiotika-Resistenzen zu untersuchen. Auffällig ist, dass die Resistenzraten in lateinamerikanischen Ländern zwar teilweise hoch, aber relativ konstant sind. Sowohl in Bolivien als auch in Peru ist beispielsweise die Resistenzrate bei Staphylococcus aureus über einen Zeitraum von fünf Jahren weitgehend unverändert. Dieser Umstand verdeutlicht, wie funktionierende  Kontrollmechanismen dazu beitragen können die weitere Verbreitung von  Antibiotika-Resistenzen zu stoppen.

Eine Übersicht über nationale Pläne und Strategien nach WHO-Regionen gibt es hier

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