E.3 Regulierungsmaßnahmen in Ländern des globalen Südens

In ihrem Globalen Aktionsplan gegen Antimikrobielle Resistenzen hat die WHO deutlich gemacht, dass die Überwachung von Resistenzen ein zentrales Element bei deren Bekämpfung ist. Um Antibiotika-Resistenzen weltweit zurückzudrängen sind staatliche Auflagen, Regulierungsmaßnahmen und Kontrollmechanismen erforderlich. Diese müssen sektorübergreifend implementiert werden und setzen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus. Die WHO, OIE und FAO haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam Strategien gegen Antibiotika-Resistenzen zu entwickeln. So fordern sie beispielsweise nationale Gesetzgebungen und intensive internationale Zusammenarbeit zwischen Human- und Veterinärmedizin. Die Organisationen fordern politisches Engagement für die Implementierung internationaler Standards und Richtlinien in den verschiedenen Sektoren. Die FAO kritisiert insbesondere die mangelhafte Datenlage in vielen Teilen der Welt und die schlechte Vergleichbarkeit der vorhandenen Daten. Darüber hinaus fordert die FAO mehr Forschung zu Zoonosen und zum Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft und resistenten Keimen auf tierischen Lebensmitten.

 

Ausbreitung verhindern – Überwachung entwickeln

Brasilianische WissenschaftlerInnen haben in einer Studie den Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von ESBL und fehlender staatlicher Regulierung zum Einsatz von Antibiotika untersucht. Das Ergebnis war eindeutig: Ohne staatliches Eingreifen entwickeln sich verstärkt Resistenzen. So zeigte sich, dass es in Brasilien faktisch keine staatlichen Vorgaben gibt, die die Haltungsbedingungen im Nutztierbereich regeln. Ebenso fehlt eine Dokumentationspflicht zum Einsatz von Medikamenten im veterinärmedizinischen Bereich. Vorgaben oder Empfehlungen zur Lagerung von veterinärmedizinischen Medikamenten wären zum Beispiel wichtig, um die Arzneimittelqualität sicherzustellen. Zudem fanden die WissenschaftlerInnen heraus, dass der off-label-use von Antibiotika in Brasilien ausgesprochen hoch ist. Schlussfolgernd kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Anzahl von ESBL-bildenden Bakterien verringert werden könnte, wenn Richtlinien zur Anwendung von Antibiotika eingeführt und deren Umsetzung kontrolliert würde. Fehlende Regulierungsmaßnahmen wie in Brasilien haben vor dem Hintergrund eines globalen Fleischhandels direkten Einfluss auf andere Länder und die Gesundheit der dortigen KonsumentInnen. So weist der kritische Agrarbericht 2014 darauf hin, dass Brasilien in großem Maßstab Kühlcontainer mit Geflügelfleisch in das südafrikanische Durban verschifft. Von dort aus werden die Märkte in Mosambik, Sambia und Simbabwe mit Hühnerresten regelrecht überschwemmt. Ebenso musste Südafrika als WTO-Mitglied nach langen Verhandlungen den Verkauf von brasilianischem Hühnerfleisch im eigenen Land akzeptieren.

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Kontroll- und Erhebungsmechanismen

Die Datenlage zum Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft des globalen Südens und zu der daraus resultierenden Resistenzentwicklung ist eher dürftig. Auch die Problemlage in den Aquakulturen ist noch weitestgehend unerforscht, vorhandene Daten sind häufig widersprüchlich. Die FAO betont jedoch: Wasser funktioniert als Transportmittel für Antibiotika-Resistenzen und Antibiotika-Rückstände. Jedoch existieren keine internationalen Standards, die beispielsweise ein erlaubtes Maximum an Antibiotika-Rückständen im Wasser festlegen. Dabei hat dieses Problem eine enorme Tragweite: Die ForscherInnen Van Boeckel et al. zählen die Fischindustrie zu den größten Antibiotika-Konsumenten. Sie beziehen sich hier auf Studien aus Chile und Vietnam, die einen extrem hohen Antibiotika-Einsatz in Fischfarmen belegen.

 

Fallbeispiel: Mosambik

In Mosambik werden insbesondere bei Hühnern häufig Antibiotika zur Wachstumsförderung eingesetzt. Bei Rindern und Schweinen finden sie vornehmlich zur Gesundheitsprävention und Krankheitsbehandlung Verwendung. Oftmals werden Antibiotika von den NutztierhalterInnen unsachgemäß eingesetzt. Grund hierfür sind vor allem fehlende VeterinärInnen zur Betreuung der Nutztierbestände und zur Beratung der NutztierhalterInnen. Diese Lücke füllen HändlerInnen, die über Land ziehen und Antibiotika verkaufen. Sie bieten sich den NutztierhalterInnen als BeraterInnen an und informieren entsprechend interessensorientiert. Der Staat hat zwar auf diese Problematik mit entsprechenden Gesetzen reagiert: Sie regeln den Import, Vertrieb, die Verbreitung und den Einsatz von Medikamenten in der Veterinärmedizin. Doch die Gesetze werden nur zaghaft umgesetzt, außerdem müssten sie dringend aktualisiert werden. WissenschaftlerInnen und AktivistInnen in Mosambik kritisieren fehlende Kontrollen, eine fehlende Strafverfolgung und auch den Mangel an Fachkräften. Auch im Bereich Aquakultur tut sich wenig: Schon 2001 ist das Ministerium für Fischerei beauftragt worden, die in Aquakulturen erzeugten Fische dahingehend zu überprüfen, ob diese für den Verzehr durch Menschen geeignet seien. Bis heute liegt hierzu keine Dokumentation vor. Das Beispiel Mosambik zeigt das ganze Dilemma. Zwar wurde - wie auch in vielen anderen afrikanischen Staaten - die Notwendigkeit staatlicher Regulierungsmaßnahmen erkannt. Doch ohne strikte Kontrollen und entsprechende Sanktionsmechanismen wird sich nur wenig ändern.

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Erfassungssysteme unzureichend

Erfassungssysteme zum Antibiotika-Einsatz im Bereich der Veterinärmedizin und Nutztierhaltung sind im globalen Süden immer noch die Ausnahme. Solche Meldesysteme sind aber unabdingbar, da sie wichtige Erkenntnisse zu den Verbrauchsmengen liefern, Überverschreibung oder Fehlanwendungen abbilden und den weiteren Handlungsbedarf aufzeigen. Das Beispiel Deutschland zeigt, dass selbst in Industrieländern die Erfassung noch unzureichend ist.

 

Fallbeispiel: Deutschland

Erstmalig wurde 2012 die Abgabemenge von Antibiotika in der Massentierhaltung in Deutschland erfasst. Pharmazeutische Unternehmen und Großhändler sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Verkaufszahlen für Tierarzneimittel zu melden. Die erfassten Daten zeigen eine positive Entwicklung. So ist innerhalb von nur vier Jahren die Abgabemenge von antibiotischen Wirkstoffen in der Massentierhaltung um rund 50% gesunken. Ein genauer Blick auf die Daten zeigt aber: In deutschen Ställen werden zunehmend die sogenannten Reserveantibiotika eingesetzt. Ihr Vorteil: Sie sind effizienter. Mit ihrer Gabe verkürzt sich nicht nur die Behandlungsdauer, sondern auch die Abgabemenge. Das ist gut für die Statistik, da sich somit sinkende Verbrauchszahlen ergeben. Eine nur auf Tonnage ausgerichtete Erfassung des Antibiotikaverbrauchs wird in Deutschland scharf kritisiert. Denn die einzelnen Antibiotikagruppen erfordern unterschiedliche Dosierungen. So ist allein die Erfassung der Abgabemenge - ohne Bezug zu den Wirkstoffgruppen - wenig geeignet, um das Ausmaß des Problems darzustellen.

 

Fallbeispiel: Dänemark

Dänemark führt die Erfassung wesentlich umfangreicher durch und die erhobenen Daten sind aussagekräftiger. Um die Betriebe und deren Antibiotikaeinsatz zu kontrollieren, werden sämtliche Daten zur Verschreibung, zur Abgabe und zum Einsatz umfassend dokumentiert. Darüber hinaus gibt es hohe Steuern auf Reserveantibiotika, gleichzeitig ist ihr Einsatz stark reglementiert. So können die VeterinärmedizinerInnen ein Reserveantibiotikum nur dann verschreiben, wenn sie nachweisen, dass andere Antibiotika nicht mehr wirken. Dafür muss ein entsprechender Antrag genehmigt werden. Durch diese gezielten Maßnahmen konnte beispielsweise der Einsatz von Fluorchinolonen in Dänemark um 50% reduziert werden.

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