D.1 Unkritische Anwendung

Das Problem lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Antibiotika werden zu häufig verwendet, und sie werden oft nicht korrekt eingesetzt. Das trifft weltweit zu, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Beispielhaft für den Fehlgebrauch sind PatientInnen, die sich selbst behandeln (Selbstmedikation) oder ÄrztInnen, die nicht korrekt verschreiben. Eine Fehlverschreibung macht in der Humanmedizin ebenso Probleme wie in der Veterinärmedizin (siehe Kapitel E).
Die folgenden Abschnitte beleuchten einzelne Aspekte näher und stellen sie in Länderbeispielen vor.

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Antibiotika bei Virusinfektion

Die meisten Fehlanwendungen von Antibiotika treten bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen auf. Dabei verursachen Bakterien nur 5% der Hustenerkrankungen, die deutliche Mehrzahl wird von Viren ausgelöst. Antibiotika sind aber bei Viren nutzlos. Diese Fehlmedikation kann also nicht die erwünschte Wirkung bringen. Im Gegenteil muss man mit unerwünschten Wirkungen rechnen, wie beispielsweise mit Magen-Darm-Problemen. Die massive unsinnige Verschreibung aber auch die Selbstmedikation von Antibiotika sind entscheidende Faktoren für die Entstehung von Resistenzen.

Verantwortlich für Fehlverschreibungen sind immer wieder ÄrztInnen. Eine Erhebung im ländlichen Bangladesch zeigt, dass 44,1% der befragten ÄrztInnen Antibiotika bei Erkältungen und Fieber verschreiben, ohne vorher einen diagnostischen Test durchgeführt zu haben. 61% verschrieben Antibiotika schon allein bei dem Verdacht auf eine Infektion.

In Jordanien verordnen laut einer Studie mehr als 50% der ÄrztInnen routinemäßig Antibiotika bei Erkältungssymptomen.

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Nicht das optimale Antibiotikum

Antibiotika gehören zu den in Kliniken am häufigsten verordneten Medikamenten. Entscheidend für den richtigen Gebrauch ist eine genaue Diagnose: Handelt es sich um eine bakterielle Infektion? Welche Erreger liegen vor? Dementsprechend muss ein geeignetes Medikament ausgewählt werden, denn nicht jedes Antibiotikum eignet sich gleichermaßen für jede Infektion. Und es sollte auch getestet werden, gegen welche Antibiotika die Krankheitserreger bereits resistent sind.
Soweit die Theorie – die Praxis sieht jedoch meist anders aus. Vielfach wird keine genaue Diagnostik (bakteriologische Tests) durchgeführt. Stattdessen werden standardmäßig Breitbandantibiotika eingesetzt, auch wenn eine gezielte Behandlung sinnvoller wäre. Zudem werden vorschnell Reserveantibiotika verwendet, die eigentlich schweren Krankheitsverläufen vorbehalten bleiben sollten. Solche ungezielten und nicht begründeten Therapien beschleunigen die Entstehung von Resistenzen. Eine aktuelle Fallstudie aus dem Jemen (2015) zeigt, dass die WHO-Empfehlungen für eine sinnvolle Antibiotikaverschreibung nicht beachtet werden.

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Fallbeispiel für irrationalen Gebrauch: Jemen

In vier Krankenhäusern in der Stadt Aden (Jemen) wurde analysiert, welche Rezepte die PatientInnen im ambulanten Bereich erhielten. Generell wurden zu viele Medikamente verordnet, im Durchschnitt waren es pro Rezept 3,2 Medikamente (die WHO empfiehlt maximal 2). Von 400 Rezepten enthielten 337 Antibiotika (84%). Auf dem Rezept stand meist nur ein Antibiotikum (was sinnvoll ist), in einigen
Fällen auch zwei oder sogar drei verschiedene Antibiotika. Eine Behandlung mit Antibiotika nach dem Schrotschuss-Prinzip ist medizinisch nicht empfohlen. Auffällig häufig wurden Breitbandantibiotika verordnet (58%), bei fast jedem vierten Fall war die Diagnose unklar (23%). Bei der Hälfte der PatientInnen wurde die Verschreibung ohne mikrobiellen Sensitivitätstest gemacht.

Die größte PatientInnengruppe waren Kinder unter 12 Jahren (37%), die hauptsächlich wegen Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Infekten behandelt wurden. Diese Altersgruppe ist besonders empfindlich. Die Auswahl der korrekten Behandlung sollte daher sorgfältig geprüft werden

 

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