B.4 Hormone kurzwirkend

Stichworte: Pillen mit zwei Hormonen | Verhütungspflaster | Vaginalring mit Hormonen | Minipille

Alle hormonellen Verhütungsmethoden erfordern eine medizinische Voruntersuchung und Beratung. Ein wichtiger Grund dafür sind relative bzw. absolute Kontraindikationen. Dazu gehören höheres Alter (über 35 Jahre), hohes Übergewicht, starkes Rauchen (über 15 Zigaretten am Tag), bestehende Schwangerschaft, Stillzeit, bekannte Thromboseneigung, Diabetes mellitus, hoher Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Brustkrebs in der Vergangenheit sowie generell schwerwiegende organische und psychische Erkrankungen. In besonderen Fällen und unter besonderer Überwachung kann eventuell trotzdem zu einer hormonellen Verhütung geraten werden.

 

 „Pillen“ mit zwei Hormonen

Diese meist als „Antibaby-Pille“ oder „Pille“ bezeichneten Hormonpräparate enthalten ein Östrogen und ein Gestagen. Sie werden auch Ovulationshemmer genannt, da sie unter anderem die monatliche Ovulation verhindern. Es kann dann also kein Ei befruchtet werden. Weniger als eine von 100 Frauen wird pro Jahr schwanger, wenn sie die „Pille“ vorschriftsmäßig einnehmen. Anwendungsfehler erhöhen die tatsächliche Versagerrate auf bis zu 3%. Das heißt: Bis zu drei von 100 Frauen werden pro Jahr trotz „Pille“ schwanger.
Die meisten Präparate werden drei Wochen lang täglich eingenommen, dann folgt üblicherweise eine einwöchige Pause. Am gebräuchlichsten sind so genannte Einphasenpräparate, die in jeder Tablette das Östrogen und Gestagen in konstanter Dosierung enthalten.
Die verschiedenen „Antibabypillen“ unterscheiden sich hinsichtlich der Östrogendosis und der Art des Gestagens. Üblich sind Östrogenmengen pro Tablette zwischen 20 Mikrogramm und 35 Mikrogramm Ethinylestradiol (= 0,020 mg bzw. 0,035 mg). Ein häufiger Nachteil von Pillen mit besonders niedrigem Östrogengehalt (z.B. 15 Mikrogramm) sind Zwischenblutungen. Klingen diese nicht mit der Zeit ab, empfiehlt es sich, auf ein etwas höher dosiertes Präparat umzusteigen.
Höher dosierte Präparate sind schlechter verträglich und besonderen Situationen vorbehalten. Manche Frauen sind beispielsweise auf Medikamente angewiesen, die die Wirksamkeit der Hormone mindern können, beispielsweise Arzneimittel gegen Epilepsie, und benötigen daher ein höher dosiertes Präparat.
Was die enthaltenen Gestagene angeht, bestehen die längsten Erfahrungen mit Norethisteron (1. Generation) und Levonorgestrel (2. Generation). Das gesammelte Wissen über Wirksamkeit und Risiken gibt mehr Sicherheit, solche Präparate sind daher anderen Pillen vorzuziehen.
 Im Vergleich zu den bewährten „Pillen“ der ersten und zweiten Generation mit den Gestagenen Norethisteron oder Levonorgestrel haben andere Präparaten mit neueren Gestagenen wie Gestoden (3. Generation), Desogestrel oder Drospirenon (4. Generation) ein deutlich höheres Risiko:  Von 10.000 Frauen, die ein Jahr lang diese neuen „Pillen“ einnehmen, erleiden im Schnittt 9 bis 12 eine tiefe Beinvenenthrombose. Bei Pillen mit den Gestagenen Levonorgestrel oder Norethisteron sind es „nur“ 6 Frauen. Norgestimat gehört zwar zur 3. Generation, hat aber kein erhöhtes Risiko und ist deshalb vergleichbar mit Levonorgestrel oder Norethisteron. Für die Wirkstoffe Chlormadinon und Dienogest (beides vierte Generation) liegen keine ausreichend aussagekräftigen Studien vor.

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Thromboserisiko verschiedener Pillen

 
 
* Norgestimat wird den Pillen der 3. Generation zugeordnet. Allerdings liegen für Norgestimat Daten vor, die eine geringere Gefährdung – etwa wie bei den Pillen der 2. Generation – erkennen lassen.
** Für diese Gestagene fehlen derzeit Studien, die das Risiko von Blutgerinnseln zuverlässig einschätzen. Quelle: GPSP 4/2015, S. 22

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Risiko mag insgesamt niedrig erscheinen, aber da die Pille häufig genommen wird, sind letztlich eine bedeutende Zahl von Frauen betroffen. Schätzungen zufolge verursacht der Einsatz der Pillen der dritten und vierten Generation jährlich bei bis zu 250 Frauen Blutgerinnsel, die zu einer lebensbedrohlichen Lungenembolie führen können. Da die Präparate mit dem höheren Risiko nicht zuverlässiger verhüten, scheint die Anwendung in den meisten Fällen nicht akzeptabel.
Die oben genannten Risiken sind bei Raucherinnen deutlich erhöht, ebenso bei Frauen mit einem BMI von über 30 und bei Frauen, die älter als 35 Jahre sind.
+ Die üblichen „Pillen“ sind zuverlässig wirksam. Die Regelblutung wird oft schwächer, weniger schmerzhaft und regelmäßiger. Die „Pille” scheint das Risiko von Krebs der Eierstöcke und der Gebärmutter leicht zu verringern, das Risiko von Krebs des Gebärmutterhalses möglicherweise jedoch zu erhöhen.
- An die regelmäßige Einnahme muss gedacht werden. Nebenwirkungen kommen vor, beispielsweise Östrogen-bedingte Übelkeit, Kopfschmerzen und Spannungen in der Brust oder Gestagen-bedingte Akne, Depression und anderes. Viele dieser Beschwerden können aber nach ein bis zwei Monaten Anwendung verschwinden. Die „Pille“ scheint das Brustkrebsrisiko geringfügig erhöhen zu können, vor allem wenn sie vier Jahre oder länger vor der ersten Schwangerschaft eingenommen wurde. Selten, aber lebensbedrohlich, sind Thrombosen und gefährliche Verschlüsse von Blutgefäßen, die durch Blutgerinnsel entstehen (z.B. Lungenembolie). Diese Gefahr ist bei manchen Pillenwirkstoffen höher.
Zu bedenken ist im Übrigen, dass Erbrechen, Durchfall oder die Einnahme bestimmter Medikamente, darunter Antibiotika, Mittel gegen Epilepsie, Johanniskrautextrakte u.a. die Zuverlässigkeit der Hormonpräparate herabsetzen können.

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Verhütungspflaster

Frauen können sich zur Schwangerschaftsverhütung auch ein Pflaster auf die Haut kleben. Das seit 2003 erhältliche Pflaster enthält wie die „Pille“ ein Östrogen und ein Gestagen. Der Östrogengehalt entspricht etwa dem einer Pille mit 35 Mikrogramm Ethinylestradiol, also einer „Pille“ mit einem relativ hohen Hormongehalt. Das im Pflaster enthaltenen Gestagen Norelgestromin hat wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, also Gefäßverschlüssen. Die Wirksamkeit ist fast so gut wie bei der „Pille“. In Studien haben aber Frauen, die das Pflaster anwenden, doppelt so häufig die Verhütung wegen Unverträglichkeit abgebrochen wie Frauen, die die „Pille“ schlucken (12% gegenüber 5-6%). Das Pflaster muss pro Zyklus dreimal im Abstand von sieben Tagen gewechselt werden, also jeweils am gleichen Wochentag.
+ Unter günstigen Bedingungen zuverlässig wirksam.
- Nebenwirkungen wie bei der „Pille“, zusätzlich sehr häufig Hautprobleme an der Klebestelle (in Studien bei 17 von 100 Frauen). Oft müssen Pflaster außer der Reihe gewechselt werden, weil sie sich (teilweise) lösen oder versehentlich entfernt werden. In heißen Klimazonen bzw. bei hoher Luftfeuchtigkeit kann sich das Pflaster leichter ablösen. Bei Hitze wird der Wirkstoff schneller freigesetzt, dadurch höhere Hormondosis und kürzere Wirkdauer. Das Pflaster ist deutlich teurer als die „Pille“. Es enthält nach Gebrauch immer noch beträchtliche Hormonmengen, die die Umwelt belasten können.

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Vaginalring mit Hormonen

Ebenfalls seit 2003 gibt es einen biegsamen Ring, der wie die „Pille“ ein Östrogen und ein Gestagen enthält. Er wird in die Scheide eingeführt. Die im Verlauf eines Tages aus dem Vaginalring freigesetzte Östrogenmenge entspricht in etwa dem von Pillen mit 20 Mikrogramm Ethinylestradiol – also niedrig dosierten „Pillen“. Das Gestagen des Vaginalrings heißt Etonogestrel. Es ist der Wirkbestandteil von Desogestrel, das durch ein höheres Risiko von venösen Gefäßverschlüssen (Thromboembolie) aufgefallen ist (siehe Östrogen- und Gestagen-haltige Pillen). Der Vaginalring muss jeweils nach drei Wochen entfernt werden. Dies soll am gleichen Wochentag und auch zur gleichen Uhrzeit erfolgen wie das Einsetzen. Nach exakt einer Woche Pause wird dann ein neuer Ring eingeführt. Der Vaginalring scheint etwas weniger zuverlässig zu wirken als die „Pille“. In heißen Klimazonen schränkt die notwendige Kühlung die Verwendbarkeit ein.
+ Wahrscheinlich zuverlässig wirksam. An die Verhütung muss nicht jeden Tag gedacht werden.
- Nebenwirkungen wie bei den risikoreicheren „Pillen“. Zusätzlich sehr häufig Scheidenentzündungen (in Studien bei 19 von 100 Frauen) oder Ausfluss (6 von 100 Frauen). Wahrscheinlich wie die „Pille“ im Hinblick auf das höhere Risiko von Gefäßverschlüssen zu beurteilen, jedoch fehlen genügende Langzeiterfahrungen mit dem Vaginalring. Er kann beim Tamponwechsel oder beim Stuhlgang unbemerkt entfernt bzw. ausgestoßen werden. Der Ring muss vor der Anwendung kühl gelagert werden (< 30° C).

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„Minipille“

Die „Minipille“ enthält als Hormon nur ein Gestagen, das dem von den Eierstöcken gebildeten Hormon ähnlich ist. Die Levonorgestrelhaltige „Minipille“ wirkt vor allem, indem sie den Schleim im Gebärmuttermund verdickt. Dies hindert die Spermien daran, in die Gebärmutter zu gelangen und dort eine Eizelle zu befruchten. Optimal eingenommen, wird von 100 bis 200 Frauen innerhalb eines Jahres eine Frau schwanger. Bei Anwendungsfehlern steigt die Versagerrate auf etwa drei bis fünf. Wahrscheinlich wirkt die „Minipille“ bei Frauen, die mehr als 70 kg wiegen, weniger zuverlässig.
Die Levonorgestrelhaltige „Minipille“ muss grundsätzlich jeden Tag zur selben Tageszeit genommen werden. Im Gegensatz zur „Pille“ wird keine Einnahmepause eingelegt. Wird die „Minipille“ vergessen, kann bereits bei einer Verschiebung um drei Stunden der Empfängnisschutz versagen.
„Minipillen“ kommen vor allem dann infrage, wenn die „Pille“ mit zwei Hormonen aus gesundheitlichen Gründen ungeeignet ist. Dies gilt für Raucherinnen, die älter als 30 Jahre sind, außerdem für Frauen mit Migräne und Krampfadern sowie für stillende Mütter. Die Desogestrelhaltige „Minipille“ kommt wegen ihrer größeren Zuverlässigkeit auch für junge Frauen infrage. Allerdings ist wahrscheinlich das Risiko von Thrombosen im Vergleich zur Minipille mit Levonorgestrel erhöht, zuverlässige Daten fehlen aber.
+ Es gibt keine Östrogen-bedingten Nebenwirkungen. Schwerwiegende Nebenwirkungen (Thrombosen) kommen seltener vor als bei Einnahme der „Pille“ mit zwei Hormonen.
- Vor allem die Levonorgestrelhaltige „Minipille“ ist nicht ganz so zuverlässig wie die konventionelle „Pille“. Die empfängnisverhütende Wirkung kann bereits beeinträchtigt sein, wenn sie drei Stunden zu spät eingenommen wird. Das gilt nicht für die Desogestrelhaltige „Minipille“, bei ihr beträgt das Zeitlimit 12 Stunden. Nebenwirkungen umfassen völliges Ausbleiben der Regel oder Blutungsunregelmäßigkeiten, Depressionen, Akne und anderes mehr.

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Fragen zu Kapitel B.4 / B.5 Kapitel B.5