C.2 Kultureller Kontext

Stichworte: Kultursensibilität | Indigene | Analphabetismus | Tabus | Qualitätssicherung | Männer in Familienprogrammen

Kultureller Kontext

Frauengesundheits- und Familienplanungsprojekte müssen sich der kulturellen Besonderheiten eines Projektlandes bewusst sein. Um das Projekt erfolgreich durchzuführen sollte das Angebot kultursensibel ausgerichtet sein. Hier sollen einige besonders wichtige Aspekte exemplarisch aufgezeigt werden.

  • Sind Indigene eine Zielgruppe des Projekts? Dann muss geeignetes Informationsmaterial neben der Amtssprache des Landes auch in der indigenen Sprache zur Verfügung stehen. Und selbst wenn große Teile der indigenen Bevölkerung die offizielle Amtssprache sprechen, bedeutet dies nicht, dass sie auch gelesen werden kann. Projekte vor Ort müssen dies berücksichtigen.

 

  • Sind Indigene eine Zielgruppe: Sprechen GesundheitsarbeiterInnen die Sprache der Indigenen? Die Akzeptanz von Beratungsangeboten und die Zufriedenheit der NutzerInnen hängen auch davon ab, ob GesundheitsarbeiterInnen die Sprache der Indigenen sprechen oder vielleicht selbst aus dieser Volksgruppe stammen. Das kann das Vertrauen in die Beratung erheblich erhöhen, trägt aber auch dazu bei, Missverständnisse und Fehler zu vermeiden.

 

  • Gibt es Informationsmaterial für AnalphabetInnen? Für AnalphabetInnen sollte geeignetes, reich illustriertes Informationsmaterial zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollte bei einer Beratung ausreichend Zeit eingeplant werden, um Methoden der Verhütung sowie deren Vor- und Nachteile ausführlich zu erklären. Indigene stellen eine besonders vulnerable Zielgruppe von Frauengesundheitsprojekten dar und sollten besonders intensiv beraten werden – über sexuelle und reproduktive Rechte ebenso wie über Gesundheitsfragen und Verhütung.

 

  • Kampagnen zur Zwangssterilisation, die in der Vergangenheit insbesondere auf verletzliche Bevölkerungsgruppen zielten (wie z.B. in Peru – siehe A.3) können sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Dann erfordert die Etablierung eines Beratungsangebotes besonderes Fingerspitzengefühl, um dem Misstrauen und den Ängsten von Frauen respektvoll zu begegnen.

 

  • Sexualität ist in manchen Gesellschaften mit großen Tabus belegt. Zum Beispiel kann die Berührung des eigenen Körpers oder auch eine medizinische Untersuchung durch einen männlichen Arzt gängigen gesellschaftlichen Normen widersprechen. Auch das erschwert die Arbeit zu reproduktiver und sexueller Gesundheit. Die Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen (Frauengruppen, Gesundheitsgruppen) kann hier hilfreich sein und dazu beitragen, das eigene Projektangebot zielgruppengerecht auszurichten.

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Qualitätssicherung

 

Ein seriöses Beratungsangebot erfordert gut ausgearbeitete und erprobte Gesprächsleitfäden sowie Qualitätskontrollen durch Außenstehende. Dadurch lassen sich Missverständnisse und Fehler vermeiden, aber auch die Gefahr, dass eine Beratung von den religiösen oder moralischen Vorstellungen des Beraters dominiert wird. So könnten Frauen z.B. auf bestimmte Verhütungsmethoden nicht hingewiesen oder Hilfesuchende weggeschickt werden, weil ein bestimmtes Beratungsthema (Geschlechtsverkehr von Minderjährigen, wechselnde Sexualpartner, Prostitution) für die BeraterInnen tabu ist.

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Einbeziehung von Männern in Familienberatungsprogramme

 

Auch wenn traditionelle Familienplanungsprogramme insbesondere auf Frauen zielen, so ist die Einbeziehung von Männern in die Beratung ein wichtiger Aspekt. Denn häufig haben die Männer das letzte Wort in Sachen Verhütung oder sogar darüber, ob eine Frau ein Beratungsangebot wahrnehmen oder eine Gesundheitsdienstleistung in Anspruch nehmen darf. Gerade in Kontexten, wo die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen durch religiöse, kulturelle oder traditionelle Zwänge oder durch staatliche Vorgaben eingeschränkt sind, sollten Gesundheitsprojekte die ganze Familie in den Blick nehmen. Hier gilt es den gesundheitlichen Nutzen von Familienplanung für alle Beteiligten durch einfühlsame und geeignete Beratungsangebote hervorzuheben, tradierte Rollen aufzubrechen und Frauen stark zu machen, eigene Bedürfnisse zu formulieren.

Um gezielt Männer zu erreichen, ist es u.U. erforderlich, Beratungsangebote dort zu etablieren, wo sich viele Männer aufhalten – etwa am Arbeitsplatz. Auch andere Beratungszeiten können sich durch diesen Fokus ergeben (Wochenende/ Feierabend).

Die Projektkonzeption sollte darlegen, wie mit Genderfragen- und gängigen Rollenmodellen umgegangen wird. Sowohl in der Ausbildung der BeraterInnen sollten solche Fragen thematisiert als auch in der Beratungssituation jeweils reflektiert werden.

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Kapitel C.3