A.1: HIV heute

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Wenige Themen globaler Gesundheit haben in so kurzer Zeit so viele Menschen und Ressourcen mobilisiert, wie der Kampf gegen HIV. Getragen vom zivilgesellschaftlichen Einsatz im globalen Süden und Norden, hat sich das Gesicht der Erkrankung gewandelt. Galt der Befund „HIV-positiv“ in der Frühphase der HIV-Epidemie noch als Todesurteil, ist die Krankheit mittlerweile zumeist gut therapierbar. Von 2005 bis 2016 ist die Zahl der Aids-Todesfälle um fast die Hälfte gesunken (mehr).

Laut dem Gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) lebten 2019 weltweit 38 Millionen Menschen mit HIV. Davon hatten 25,4 Millionen Zugang zur HIV-Therapie. Das bedeutet aber auch: Weiterhin erhalten deutlich über 30% der mit HIV lebenden Menschen keine entsprechende Behandlung.
Trotz Durchbrüchen in der Forschung bleibt Aids mit etwa 690.000 Todesfällen im Jahr 2019 eine der drei tödlichsten Infektionskrankheiten. Eine Heilung ist weiter nicht in Reichweite, trotz bislang zweier Fälle von sogenanntem "langfristigen Rückzug" des Virus in PatientInnen (mehr).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) konstatiert, dass eine der größten Herausforderungen in dem Feld seit Dekaden unverändert geblieben ist. HIV betrifft nach wie vor überdurchschnittlich stark Menschen in Bevölkerungsgruppen, die marginalisiert und zugleich weiterhin von den globalen Bemühungen nur ungenügend erreicht werden. 2018 entfiel das erste Mal die Mehrzahl an Neuinfektionen auf die fünf UNAIDS-„Schlüsselgruppen“ und ihre SexualpartnerInnen. Als Schlüsselgruppen sieht die WHO vor allem:

  •  Menschen in Haft
  •  SexarbeiterInnen
  •  intravenös Drogengebrauchende
  •  Transgender
  •  Männer, die Sex mit Männern haben (MSM)

Gender ist zudem ein wichtiger Faktor geblieben, denn Frauen und Mädchen leiden meist nicht nur stärker unter den sozialen Folgen der Erkrankung als Männer und Jungs, sie sind auch stärker gefährdet, sich überhaupt anzustecken. Bspw. liegt die HIV-Prävalenz bei jungen Frauen (15-24 Jahre) in Gabun dreimal höher, als bei Männern in der gleichen Altersgruppe - in Angola sogar viermal und in Eswatini (ehemals Swasiland) fünfmal höher (mehr).

 

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In der Logik von „last mile first“ („die letzte Meile zuerst“) sollten gerade benachteiligte Menschen Unterstützung gegen die Gefahren von HIV erhalten. Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung verhindern dies jedoch. Sie machen eine Verbreitung des HI-Virus letztlich wahrscheinlicher, denn sie verringern die Bereitschaft Einzelner zum Testen, erschweren die Behandlung und fördern so die weitere Übertragung. Diese Menschenrechtsverstöße haben also zusätzlich massive gesundheitliche Konsequenzen für die Gesamtgesellschaft.

Zusätzlich erfordern neue Dynamiken eine Anpassung der internationalen Bemühungen gegen HIV. Zum Beispiel werden immer mehr Menschen mit HIV alt. Auch die kohärente Therapie von PatientInnen im Katastrophenkontext wird immer wichtiger. So waren Ende des Jahres 2018 weltweit über 70 Millionen Menschen auf der Flucht (mehr). Äußerst besorgniserregend ist zudem der steigende Druck, dem PatientInnen und NGOs durch Repressionen ausgesetzt werden. Diese schwindenden Handlungsspielräume, oft als „shrinking spaces" betitelt, lassen sich sowohl im globalen Süden, wie auch globalen Norden beobachten. Auch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben massive Konsequenzen für die HIV-Arbeit.

Es verwundert daher nicht, dass internationale Akteure wie UNAIDS und WHO eindringlich vor Sorglosigkeit warnen: Sie sehen den Kampf gegen HIV und Aids wieder an einem Scheideweg angekommen.

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