C.3: Dramatische Folgen

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Ebenso divers wie die Erscheinungen von Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung sind die möglichen Folgen: Der Verlust von Arbeit, Wohnraum und sozialen Bindungen, die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Missbrauch oder eine schlechtere Gesundheitsversorgung. In vielen Fällen verinnerlichen Betroffene die Vorurteile und Ablehnung so sehr, dass sich Scham- oder Schuldgefühle Bahn brechen und massive Selbstzweifel erwachsen. Das führt häufig zu schlechten Behandlungsergebnissen oder auch dazu, dass selbst bei begründetem Verdacht ein HIV-Test gar nicht erst in Angriff genommen wird.

Wie weitreichend sich Stigma und Diskriminierung auch auf ganze Communities auswirken können, ließ sich z.B. 2019 im Iran beobachten. Im Südwesten des Landes hatte sich eine Meldung verbreitet, dass im Zuge eines Diabetes-Screenings mehrere hundert Personen eines Dorfes durch wieder verwendete Nadeln mit HIV angesteckt worden seien. Obwohl von behördlicher Seite vehement bestritten, kam es in der Folge zu dramatischen Entwicklungen. BewohnerInnen des Dorfes klagten, dass sie durch das Stigma, welches ihrem Ort plötzlich anlastete, ihre Agrarprodukte nicht mehr verkaufen konnten, ihre Kinder von Schulen verwiesen wurden und Fabrikarbeitern mit Kündigung gedroht wurde. Schließlich kam es vor Ort zu Protesten und Ausschreitungen (mehr).

Soziale Ausgrenzung und repressive Maßnahmen von staatlicher Seite fördern die Verbreitung von HIV. Bspw. verringeren sie die Bereitschaft Einzelner zum Testen, eine adäquate Behandlung wird schwieriger und Präventionsmöglichkeiten wie bessere Aufklärung werden blockiert. Vorurteile und Ausgrenzung können auch auf anderem Wege die Ansteckung begünstigen. Denn das Stigma macht HIV-negative Menschen aus bestimmten Bevölkerungsgruppen besonders vulnerabel für eine Infektion. Dies kann etwa geschehen, indem sie durch Ausgrenzung direkt größeren Ansteckungsrisiken ausgesetzt werden oder indem sie durch geringeres Selbstwertgefühl zu riskanteren Handlungsweisen neigen. Wiederum werden sie nach einer Infektion aufgrund eben jener Hürden und des zusätzlichen Stigmas am schlechtesten erreicht. Hier besteht im Kampf gegen HIV ein massiver Nachholbedarf.
 

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Das gilt umso mehr angesichts des Erstarkens von Populismus und Nationalismus vielerorts. In Brasilien z.B., lange eine Vorreiternation in Sachen HIV-Bekämpfung, schaffte die neue Regierung unter dem rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro zügig Fakten: So wurde etwa die Leitung der HIV-Präventions Task Force entlassen, offenbar wegen einer Aufklärungskampagne, die auf Transgender zielte. Auch unter dem Eindruck evangelikaler Strömungen hat sich das soziale Binnenklima in den vergangenen Jahren gewandelt. Eine örtliche Mitarbeiterin von Amnesty International stellte bereits 2016 fest, das Land zehre noch von seinem toleranten Image, aber es gebe eine sich verschärfende Krise homophober Gewalt (mehr).

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