F.3: Hilfestellung für Advocacy-Tätigkeiten

Quelle Foto: Wikimedia / James-Alex Matthews / Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International 


Als politisches Thema ist HIV präsent, jedoch besteht angesichts bisheriger Erfolge die Gefahr nachlassender Aufmerksamkeit. Advocacy-Arbeit muss daher den globalen Status Quo neu vermitteln, aktuelle Risiken verdeutlichen und Lösungen aufzeigen.

 

Keine Zeit für Zufriedenheit!

Auf Advocacy-Arbeit wird die wichtige Aufgabe zukommen, das Engagement gegen HIV neu zu beleben, Solidarität zu stärken und Ressourcen zu mobilisieren. Es gilt nachhaltig zu verankern, dass…

  • die Erfolge der Vergangenheit wichtig sind, auch als Empowerment, aber keine Gewähr für die Zukunft beinhalten.
  • wir einen schädlichen „Rollback“ bereits aktiv erleben, sowohl was Ressourcen der Arbeit gegen HIV betrifft, als auch einige ihre Inhalte (Bsp. reproduktive Gesundheit/Sexualkunde).
  • die globale Antwort auf das Virus bislang einige Bevölkerungsteile vernachlässigt hat. Diese Schlüsselgruppen müssen nun umso dringender erreicht werden.
  • sich die Epidemie gewandelt hat und wir unsere Reaktion anpassen müssen.
  • HIV im UHC-Kontext ein wichtiges Element darstellen sollte. UNAIDS hat eine entsprechende Handreichung für zivilgesellschaftliche Akteure bereits erarbeitet (mehr).
  • finanzielle Commitments der globalen Gemeinschaft wieder ausgebaut werden müssen. Zwischen 2000 und 2018 haben Länder niedrigen und mittleren Einkommens ihre nationalen Ressourcen gegen HIV um mehr als die Hälfte gesteigert – internationale Gelder stiegen um gerade einmal 4% (mehr).
  • langfristiger Wandel nur über veränderte Strukturen zu erreichen ist. Dem Menschenrecht auf Gesundheit kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. Ansätze wie Harm Reduction können hier viel leisten.
  • globaler Norden und Süden voneinander lernen sollten. Wenige Gesundheitsthemen stellen ein derart weltweites Phänomen dar, wie HIV. Im Kampf gegen hohe Medikamentenpreise oder beim Ausbau von Forschungskooperation lässt sich gemeinsam etwas erreichen.
 

Zugang weiter in Gefahr!

Der Beginn der globalen HIV-Epidemie war geprägt vom Kampf um Zugangsthemen. Mittlerweile steht der Forschungsfortschritt selbst medial oft stärker im Rampenlicht. Was können wir aber an der heutigen Lage für die Advocacy-Arbeit gegen Zugangshürden ablesen?

  • Biomedizinische Erfolge können nur einen Teil der Lösung darstellen. Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung sind weiter allgegenwärtig und wirken sich verheerend auf den Zugang aus. Innovation ohne Zugang ist jedoch wertlos.
  • Preishürden als massives Problem sind kein Relikt der Vergangen-heit. Dies betrifft nicht nur HIV-Medikamente selbst, sondern auch Gesundheitsleistungen, Diagnostika und Präparate, die eine wichtige Rolle im Kontext von HIV spielen. Die jüngsten Auseinander-setzungen um die Bezahlbarkeit effektiver Hepatitis C-Therapien haben dies zurück in das Licht der Öffentlichkeit gerückt.
  • Weltweit haben Staaten durch die Anwendung von Zwangslizenzen die medizinische Versorgung ihrer Bevölkerung verbessern können, gerade auch im Bereich HIV. Dieses durch die Doha-Flexibilität zugesicherte Instrument darf nicht noch weiter verwässert oder unter Industriedruck vollends in die Schublade verschwinden. Stattdessen bedarf es einer Stärkung (mehr).
  • Einige altbekannte Forschungslücken werden nur langsam gefüllt. Adäquate Präventionsinstrumente speziell für Mädchen und Frauen sind bspw. weiterhin rar. Dagegen wurden in den letzten Jahren auch im HIV-Bereich etliche neue Wirkstoffe eingeführt, die keine erkennbaren Vorteile bieten.
  • Öffentliche Forschung hat immer noch eine herausragende Bedeutung für den HIV-Bereich. 2018 stammte weltweit immer noch über 75% der Finanzierung von HIV-Forschung aus der öffentlichen Hand (mehr).
  • Selbstversorgung mit Medikamenten ist für den globalen Süden weiter erschwert. es müssen also z.B. auch Produktionskapazitäten ausgebaut werden.

 

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HIV-Arbeit ist Menschenrechtsarbeit!

Das Menschenrecht auf Gesundheit sollte im Zentrum von HIV-Arbeit stehen. Advocacy-Gruppen aus den Arbeitsfeldern „Gesundheit“ und „Menschenrechte“ engagieren sich gerade im globalen Norden aber oft eher separat, als in Kooperation. Entsprechend ist noch viel gemeinsames Potenzial in diesem Bereich ungenutzt. Es gilt zukünftig…

  • einen engeren Schulterschluss und verbesserten Austausch zwischen HIV- und Menschenrechtsgruppen zu suchen. Kooperationen mit Akteuren wie bspw. Amnesty International oder Human Rights Watch sind zwar naheliegend, aber momentan immer noch überraschend punktuell (mehr).
  • politische Entwicklungen, die sich global negativ auf die HIV-Eindämmung auswirken, vehementer entgegen zu treten. Dies betrifft besonders Entwicklungen, die die Rechte von Menschen mit HIV allgemein oder speziell Schlüsselgruppen einschränken. Aber auch Policies, die die Freiräume zivilgesellschaftlicher Organisationen limitieren. Beispiele sind hier unter anderem der „War on Drugs“ oder die „Global Gag Rule“ (mehr).
  • zu erreichen, dass staatliche Akteure im Engagement gegen HIV auch politisch Farbe bekennen. So forderte ein Aids-Aktivist von den Philippinen 2019 im Interview mit dem Aktionsbündnis gegen Aids treffend (mehr): „Es geht nicht einfach nur darum, Geld in einen Topf zu geben. Auch der Erhalt der Demokratie sollte von allen auf die Agenda gesetzt werden. Und das bedeutet, dass Geberländer auch ihre diplomatischen Beziehungen und ihren Einfluss nutzen, wenn autoritäre Politiker die Demokratie aushebeln.“

Kapitel F.4