D.2: Behandlung

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Ein Durchbruch in der HIV-Therapie gelang Mitte der 1990er Jahre. Studien belegten, dass durch die Behandlung mit drei unterschiedlichen antiviral wirkenden Medikamenten (Kombinationstherapie) die Vermehrung des Virus unterdrückt und die Immunschwäche rückgängig gemacht werden kann. Später konnte zusätzlich nachgewiesen werden, dass bei einem Absinken der Viruslast unter die Nachweisgrenze auch die Übertragung der Infektion ausgeschlossen ist.

So etablierte sich das Kürzel „N=N“, „nicht nachweisbar = nicht ansteckend“ (Engl: „U=U“, „undetectable =  untransmittable“). Der Meilenstein zeigte, dass die Therapie zugleich als Prävention wirkt.

Elementare Voraussetzung für eine erfolgreiche HIV-Behandlung ist die regelmäßige (nach jetzigem Stand lebenslange Einnahme) der Präparate. Die Kombinationstherapie kann oftmals in nur einer Tablette eingenommen werden. Eine Unterbrechung führt in der Regel zum Wiedererstarken der Erkrankung. Eine hohe Adhärenz ist entsprechend zentral.

Um sie erreichen zu können, muss eine stabile Versorgung ebenso sichergestellt sein, wie den spezifischen Lebensumständen der PatientInnen Rechnung getragen werden. Negative Einflüsse können etwa Konflikte in Familie und Partnerschaft darstellen. Auch Suchtprobleme oder Diskriminierung sind erschwerende Bedingungen. Umso wichtiger ist eine angemessene Schulung von PatientInnen aber auch ihrem engeren Umfeld. Besonders ungünstige Voraussetzungen für die Therapie bestehen bspw. im Kontext von Flucht. Gerade Schlüsselgruppen wie MSM oder Mädchen und Frauen sind dabei für die humanitäre Hilfe schwierig zu erreichen (mehr). Auch deshalb werden in der klinischen Forschung neue Ansätze verfolgt, wie z.B. länger anhaltende Injektionen, statt täglicher Tabletten (mehr).

Nebenwirkungen haben ebenfalls Einfluss auf die Therapietreue, sind allerdings bei neueren Präparaten deutlich weniger stark ausgeprägt als früher. Häufig treten vor allem zu Therapiebeginn kurzfristige Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Müdigkeit auf. In Ausnahmefällen kann es langfristig auch zu gravierenden Auswirkungen wie der Störung von Leber- oder Nierenfunktion kommen.

 

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Was sind Second- und Third-line-Therapien?

Wenn die Standardtherapie (First-line) aufgrund von Resistenzen nicht mehr wirkt, muss auf eine Second-line-Therapie gewechselt werden. Im Zuge dessen wird die Wirkstoffkombination verändert. Das gleiche Muster vollzieht sich bei noch umfangreicheren Resistenzen und der damit erzwungenen Umstellung auf eine Third-line-Behandlung. So wird die Behandlung deutlich teurer, zudem nehmen Nebenwirkungen zu. Gerade Third-line-Therapien sind in vielen Ländern außerhalb der Reichweite von PatientInnen, da die Kosten zu hoch oder die Präparate national nicht zugelassen sind.

Resistenzen stellen auch bei der Behandlung von HIV ein Problem dar, primär im globalen Süden. PatientInnen können entweder eine Resistenz entwickeln oder sich direkt mit einem resistenten Erreger anstecken. 2019 veröffentlichte die WHO eine Auswertung von Daten der Jahre 2014-2018 aus 18 Ländern. Besorgniserregend war darin etwa die Lage bei den Präparaten Efavirenz und Nevirapin. Während letzteres in der Behandlung an Bedeutung verliert, ist ersteres weiter ein wichtiges Instrument. Allerdings meldeten 12 Länder aus Amerika, Asien und Afrika, dass jeweils über 10% ihrer HIV-positiven Bevölkerung bei Behandlungsbeginn bereits Resistenzen gegen eines oder gleich beide Präparate aufwiesen. Ab dieser Schwelle rät die WHO von einem weiteren nationalen Einsatz ab.

Im Juli 2019 hat die WHO überarbeitete Empfehlungen zu First-Line- und Second-Line-Therapien veröffentlicht (mehr).

Wie steht es um mögliche Heilung?

Vor allem die Fähigkeit des HI-Virus, in Reservoirs im Körper zu überdauern, stellt die Forschung immer noch vor schwierige Aufgaben. Entsprechend ist der  Begriff der Heilung im Kontext von HIV/Aids unscharf. Stattdessen wird oft von einem langfristigen Rückzug der Erkrankung gesprochen. Vor allem zwei Fälle einer längeren Virusfreiheit ohne Therapie mit antiretroviralen Medikamenten haben in den letzten Jahren Hoffnungen geweckt. Beide Männer, genannt der "Berliner Patient" und der "Londoner Patient", waren jedoch zusätzlich in Krebs-Behandlung und erhielten Stammzellentransplantationen. Diese sind extrem teuer und mit massiven Risiken behaftet. Insofern stellen sie keine nahe Standardtherapie dar.

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