D.3: Zugangshürden gestern & heute

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Der Kampf für besseren Zugang zu Diagnose und Therapie ist von Beginn an ein zentrales Element der Aids-Bewegung gewesen. Ohne den massiven Einsatz zivilgesellschaftlicher Gruppen im globalen Süden und Norden hätte die Erkrankung Millionen weitere Opfer gefordert.

Schwierige Anfänge

Als Aids in den 1980er Jahren als eigenständiges Krankheitsbild erkannt wurde, zeigte die Pharmaindustrie wenig Interesse, sich dem Problem zu widmen. Entsprechend wurden fünf der ersten sechs Wirkstoffe in Universitäten oder staatlichen Forschungseinrichtungen entdeckt, finanziert durch öffentliche Gelder. Erst als Mitte der 1990er Jahre die Kombinationstherapie aufkam, stieg die Industrie im großen Maßstab ein. Dabei hatte sie aber die relativ kleine, jedoch zahlungskräftige Gruppe von HIV-Positiven in Industrieländern im Auge. Entsprechend setzten die Firmen die Behandlungspreise bei rund 10.000 US$ pro PatientIn und Jahr fest. Gut 90% der Therapiebedürftigen lebten und leben aber in ärmeren Ländern. Fast allen blieb somit der Zugang zu einer lebensrettenden Behandlung verwehrt.

Big Pharma versuchte in der Folge, Gegenmaßnahmen wie etwa Zwangslizenzen, zu verhindern. Eine Wende brachten schließlich der internationale zivilgesellschaftliche Aufstand gegen diese Ungerechtigkeiten und die Produktion von HIV-Medikamenten im großen Stil durch indische Generikahersteller. Die Preise sanken zunächst auf 350 US$ pro PatientIn und Jahr und später auf rund 100 US$. Zu einem besseren Zugang hat auch der Medicines Patent Pool beigetragen, da dieser von den Herstellern freiwillige Lizenzen einfordert, und so die Produktion durch Generikahersteller erheblich erleichtert.

Finanzen bleiben ein Problem

Hohe Preise sind aber auch heute noch ein Versorgungshindernis. In vielen Ländern des globalen Südens müssen PatientInnen einen großen Teil der Aufwendungen für Gesundheitsleistungen selbst tragen. Second- oder Third-line-Therapien bei HIV können schnell mehrere hundert US$ kosten und ganze Familien in den Ruin treiben.

Dieses Problem ist umso gravierender, als dass die globalen Bemühungen gegen HIV zuletzt finanzielle Rückschläge hinnehmen mussten. So sanken 2018 die Ausgaben von internationalen Gebern und betroffener Länder für HIV-Programme zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder. Die Ressourcen zur Unterstützung von Schlüsselgruppen, die für eine Unterbrechung der Ansteckungskette besonders wichtig sind, sind extrem knapp. Zugleich bleibt der allgemeine Finanzierungsbedarf hoch, nicht zuletzt durch die erfolgreiche Ausweitung von Behandlungsprogrammen in der Vergangenheit.

 

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Ein chronisches Hindernis für die medizinische Versorgung sind weiterhin Stock-Outs, die nicht selten durch knappe finanzielle Ressourcen bedingt sind. Sie können den Behandlungserfolg zunichtemachen und sind bspw. in vielen Ländern südlich der Sahara häufig, wo auch die meisten HIV-positiven Menschen leben. Dieses Problem betrifft zudem nicht nur spezifisch HIV-Präparate, sondern z.B. auch TB-Medikamente (mehr).

Pipeline und Patente

In der HIV-Forschung sind gewaltige Fortschritte erzielt worden. Dennoch existieren weiterhin einige Lücken in der Pipeline. So wird die Entwicklung spezieller Darreichungsformen für Kinder nur langsam intensiviert, trotz drängenden Bedarfs. Die Flut an neuen Präparaten für Erwachsene, die im globalen Norden auf den Markt gelangen, sollte zudem kritisch analysiert werden: In den letzten Jahren sind etliche neue Wirkstoffe eingeführt worden, die teils keine erkennbaren Vorteile bieten.

Im Zuge wachsender Kritik an der Verzerrung medizinischer Forschung, werden auch vermehrt Fragen an klinische Studien im HIV-Bereich laut. Dies betrifft z.B. den Faktor Gender. Das Immunsystem des weiblichen Körpers reagiert anders auf eine HIV-Infektion als das eines Mannes. Gleiches gilt für die zur Behandlung eingesetzten Medikamente. Dennoch stellte eine Analyse von klinischen Studien mit antiviralen Präparaten 2016 fest, dass nicht einmal ein Fünftel der teilnehmenden Personen weiblich war (mehr).

Die Defekte des globalen Patentsystems sind zudem weiter ein Hindernis bei der Versorgung von PatientInnen. Ein besonders aufmerksamkeits-erregendes Beispiel dafür war Ende 2019 eine Klage wegen Verletzung staatlicher Patente der ansonsten eher pharmafreundlichen Trump-Regierung gegen den Industriegiganten Gilead. Obwohl öffentliche Einrichtungen den Nutzen Tenofovir Diproxil/Emtricitabin zur Prävention mit erforschten, kostete das wegen Patentschutz einzig verfügbare Präparat Truvada® in den USA um die 20.000 US$ pro PatientIn und Jahr. In Ländern in denen generische Versionen verfügbar waren, betrug der Preis lediglich um die 60 US$ (mehr).

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